Neues Governance-Format für nachhaltige Stadtentwicklung getestet – Lokale Akteure nutzen Potentiale digitaler Technologien

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Die Stadt Ludwigsburg befindet sich in der zweiten Phase des Zukunftsstadt-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel der Initiative ist es, nachhaltige Stadtentwicklung zu fördern. Hierzu finden in Ludwigsburg drei Makeathons in Kooperation der Stadt Ludwigsburg und dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation statt, deren Ziel es ist, die Transformation der Ludwigsburger Weststadt in einem Co-Kreativen-Prozess zu begleiten. Zum Auftakt der Reihe fand im Juli 2017 der erste der drei Makeathons statt, der unter anderem von der Fraunhofer Stadt-Expertin Nora Fanderl konzipiert und durchgeführt wurde. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit an dem Projekt gesprochen und von ihr mehr über die Veranstaltungen, die zugrundeliegenden Ziele und neue Möglichkeiten der Verbindung von digitalen Technologien und Bürgerbeteiligung erfahren.

 

 

1. Hallo Nora. Ludwigsburg ist in Phase II des Zukunftsstadt-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Um was für einen Wettbewerb handelt es sich und was für eine Rolle spielen dabei die Makeathons?

 

N.F.: Der Zukunftsstadtwettbewerb des BMBF zielt darauf ab, eine ganzheitliche und nachhaltige Stadtentwicklung als Kooperationsprojekt zwischen Politik, Bürgerschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft voranzutreiben. Ludwigsburg befindet sich inzwischen in der zweiten Phase des Wettbewerbs, der insgesamt 3 Phasen umfasst. In der ersten Phase wurde eine nachhaltige und ganzheitliche Vision für die Stadt Ludwigsburg entwickelt, nun in der zweiten Phase geht es um die Überführung der Vision in umsetzungsreife Konzepte. Dabei zielt die Konzeptentwicklung auf Bewerbung um Förderung zur Konzeptumsetzung im Rahmen der Phase 3 in 2018 ab.

Die drei Makeathons, die in der Ludwigsburger Weststadt stattfinden, werden im Rahmen der zweiten Phase des Zukunftsstadt-Wettbewerbs durchgeführt. Unser Ziel ist es dabei, ein neues Governance-Format zu erproben und das Thema nachhaltige Stadtentwicklung mit den lokalen Akteuren gemeinsam anzugehen und dabei insbesondere die Potentiale und Herausforderungen digitaler Technologien zu adressieren.

 

 

2. Fast jeder hat schon irgendwo einmal von einem Makeathon gehört, viele können sich darunter aber nichts vorstellen. Was genau ist ein Makeathon und wie habt ihr diesen in Ludwigsburg gestaltet?

 

N.F.:  Bei der Bezeichnung „Makeathon“ handelt es sich um einen Neologismus, also eine Wortneuschöpfung, aus dem englischen Wort „Make“ für Machen und Marathon, wobei der Marathon ja für eine gemeinschaftliche Aktivität mit einer überdurchschnittlichen Länge steht. Die Makeathons in der Stadt Ludwigsburg werden als neues Format für Co-Kreative Prozesse in der Stadtentwicklung pilotiert. Anstelle einer top-down Herangehensweise in der Planung bindet die Stadt im Rahmen der Makeathons eine Vielzahl von Akteuren verschiedener Lebenswelten und Disziplinen in den Planungsprozess ein. Dabei steht allerdings- im Gegensatz zu herkömmlichen Partizipationsformaten, wie dem Runden Tisch oder der Bürgerversammlung, bei denen Information, Konsultation und Mitbestimmung im Vordergrund stehen- bei dem Makeathon das gemeinsame „Machen“ beziehungswiese das gemeinsame „Produzieren“ im Vordergrund. In einem hierfür gestalteten Prozess werden Akteure der lokalen Kreativwirtschaft, Bürgerschaft, lokale Unternehmen und der Stadtverwaltung angeleitet, urbane Herausforderungen gemeinschaftlich zu adressieren und Ideen und Lösungen durch gemeinsames Konzipieren, Experimentieren und Pilotieren zu entwickeln.

 

3. Die Veranstaltung im Stadtlabor war der Auftakt für zwei weitere, STRASSE und STADTRAUM. Wie hängen die drei Veranstaltungen miteinander zusammen und worin unterscheiden sie sich?

 

N.F.: Der erste Makeathon, der unter dem Schlagwort Stadtlabor stattfand, hatte zum Ziel, einen Interaktionsraum für Bürger, lokale Unternehmen und die Stadtverwaltung einzurichten, der das Thema nachhaltige und digitale Stadtentwicklung adressiert. Aus dem Raum als Inkubator sollen in Zukunft Impulse, unter anderem im Rahmen des zweiten und dritten Makeatons, für die zukünftige Entwicklung des Ludwigsburger Transformationsquartiers „Weststadt“ gesetzt werden. Dementsprechend stand beim ersten Makeaton zunächst die Frage im Raum, was die Anforderungen an solch einen Raum sind und wie dieser dementsprechend zu gestalten ist. Als zentrale Komponenten wurden im Zuge des Makeatons Werkbänke, Kommunikationsbereiche, ein interaktives Stadtmodell und eine digitale Informations- und Kommunikationsebene entwickelt.

 

4. Was habt ihr für die beiden folgenden Makeathons geplant?

 

N.F.: Die nächsten beiden Makeathons werden in Räumlichkeiten des Stadtlabors stattfinden, und sind auf die stadträumliche Gestaltung der Ludwigsburger Weststadt ausgerichtet.  Voraussichtlich wird „Mobilität und Straßenraum“ das Thema des zweiten Makeathons sein, und der ans Stadtlabor angrenzende Straßenraum als Testfeld dienen. Ob die gemeinschaftlich entwickelten Lösungen dann Pop-up Möbel, Augmented-Realtiy Informationssysteme, eine kreative Umnutzung von Parkflächen oder ein sensorbasiertes Mobilitäts-Tracking System sein werden, ist völlig offen. Wichtig ist, dass die Nutzer ihre Anforderungen an den Straßenraum, Unternehmen ihre Technologiekompetenz und die Stadt gesamtstädtische Strategien einbringen. Im Kerativprozess wird sich herausstellen, was sich daraus dann für neue Lösungen ergeben werden.

 

 

5. Ihr wollt bei den Makeathons viel mit Augmented- und Virtual Reality Technologien arbeiten. Wie kann man sich das vorstellen und welchen Nutzen hat diese Technologie für den Stadtentwicklungsprozess? 

 

N.F.: Die Einsatzmöglichkeiten der Technologie sind sehr vielseitig und können genutzt werden um Ideen, Visualisierungen, Modelle oder Interaktionsplattformen direkt in den Raum einzublenden. Über Smartphone-Apps können Bürgerinnen und Bürger an bestimmten Orten in der Stadt, an denen entsprechende Marker vorhanden sind, den Raum um eine digitale Dimension erweitert wahrnehmen. Die digitalen Medien ermöglichen eine neue Art der Kommunikation im städtischen Raum, und können den Dialog zwischen Bürgern und Verwaltung über die Zukunft der Stadt anregen.

 

6. Kannst du uns den Prozess eines Makeathon, so wie ihr in durchführt, einmal beschreiben?

 

N.F.: Die Makeathons sind mit einem Gesamtumfang von 1,5 Tagen und insgesamt 15 Stunden konzipiert. Um schnell zu Lösungsansätzen zu kommen und diese direkt zu in die Umsetzung zu überführen, ist der Makeathonablauf in 3 Phasen unterteilt. Einleitend wird in der ersten Phase die Fragestellung vorgestellt und die Teilnehmer in die analogen und digitalen Materialien und Werkzeuge eingeführt. In der zweiten Phase – der Ideengenerierung - wird in Gruppenarbeit die Fragestellung diskutiert und erste Ideen entwickelt. Darauf aufbauend wird in der zweiten und für den Makeathon zentralen Phase – der Experimentierphase – im Sinne von „Hands-on“ die Ideen weiterentwickelt und in Prototypen überführt.

 

 

7. Neben dem Fraunhofer IAO ist auch das Kreativbüro Tinkertank für die Organisation der Makeathons verantwortlich. Wie habt ihr euch die Aufgaben aufgeteilt und wie sieht die Zusammenarbeit aus? 

 

N.F.: Der Makeathon ist ein Kooperationsprojekt von uns und der Stadt Ludwigsburg. Zusammen mit Tinkertank, einer Ludwigsburger Kreativagentur, die über ein großes Netzwerk an lokalen Kreativschaffenden verfügt und gleichzeitig auf die Moderation von Co-Creation-Prozessen spezialisiert ist, wurden die Makeathons organisiert und durchgeführt. Die Rolle des Fraunhofer IAO liegt dabei in der Konzeption sowie der Integration von fachlicher Expertise. Mein Kollege Sven Dübner vom Teams „Urban Data and Resilience“, bringt die digitale Technologieexpertise über die Möglichkeiten von Virtual- und Augmented Reality ein, ich hingegen die Smart City und Urban Governance Kompetenz.

 

 

8. Die Makeatons sollen Impulse für die Transformation des Ludwigsburger Stadtgebiets „Weststadt“ liefern. Was soll mit dem Gebiet geschehen und was sind darüber hinaus die Ziele der Veranstaltungsreihe?

 

 

N.F.: Die Weststadt wurde von der Stadt Ludwigsburg als Transformationsgebiet definiert und weist darüber hinaus eine enorme Entwicklungsdynamik auf. Diese will man gemeinsam mit den Bürgern und lokalen Akteuren aufgreifen und ein nachhaltiges Mischgebiet der Zukunft entwickeln. Hierbei dienen die Makeathons als eines von mehreren Formaten. Bei den Makeathons geht es darüber hinaus auch darum, ein neues Governance-Format zu testen, das über klassische Partizipationsformate hinausgeht. Je nach Bedarf kann das Format in Zukunft auf weitere Quartiere oder gesellschaftsrelevante Fragestellungen an den Stadtraum angewendet werden.

 

 

9. Was ist aus deiner Sicht bei der Durchführung eines Makeathons besonders wichtig?

 

N.F.: Wichtig ist zu verstehen, dass es bei dem Makeathon primär um den Prozess geht. In den Kreativ- Prozess fließen eine Vielzahl an Ideen, Wünschen, Bedarfen, Fähigkeiten und Wissen ein. Die Ergebnisse sind dabei als Intermdiär für weitere Entwicklungen zu betrachten, wobei die im Prozess entstandenen Interaktionsmuster und persönliche Bezüge eine zentrale Komponente sind.

 

Vielen Dank für das Gespräch und gutes Gelingen bei den folgenden Events.

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